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20. -22. Juni 2019
Rock The Ring
Betzenholzkreisel Hinwil

Mit der Ankündigung von Def Leppard, Whitesnake und weiteren Bands wie Inglorious und FM, die dem Musikstil der 80er-Jahre treu sind, gelang den Organisatoren einen Paukenschlag. 

Waren doch die letzten beiden Jahren eher ein Missbrauch des Wort Rock, wenn man bedenkt dass da Jan Delay oder die Fantastischen Vier nach Hinwil kamen. 

Mit dieser ersten Ankündigung war also Wiedergutmachung angesagt, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Auch die Bandwelle Nummer zwei mit Saxon, Krokus (Abschiedstour) und Gotthard als kostengünstiger Lückenfüller garantierte gute Ticketverkäufe. Da konnte bei der dritten Ankündigung nichts mehr schief gehen. Böse Überraschungen waren nicht mehr zu erwarten, man ging back to the Roots und holte mit den Australiern Midnight Oil einen grossen Unbekannten und mit den Südstaaten-Legenden Lynyrd Skynyrd einen weiteren Kracher, so das die Drei-Tagespässe die einzig richtige Wahl war. 

 

Einem Festival des Sonderklasse konnte also nichts mehr im Weg stehen. Seit der Ausgabe 2018 gibt es am Rock the Ring eine zweite Bühne, die sogenannte B-Stage. Unterstützt wird das Projekt von der Souls of Rock Foundation. Die Foundation unterstützt kleinere Schweizer Bands in ihrem Vorhaben, irgendeinmal von ihrer Leidenschaft zur Musik leben zu können. Es versteht sich von selbst, dass ich mir diese Horizonterweiterung über das einheimische Schaffen anhörte. Am ersten Tag machte ich mir ein Bild von Shambolic Shrinks und Black Diamonds. Die Ersten spielten soliden Alternativ Rock, der bei mir nicht so hängenbleiben wollte. Schon 2016 waren sie dank einem Wettbewerb im Autobahnkreisel von Hinwil zu sehen und hören. Schon damals war mein Urteil gut, aber nicht so gut, dass ich sie zuhause hören möchte. Gemäss Biographie auf ihrer Website sind ihre Stärke, Live Auftritte. Das mag sein, musikalisch reissen sie mich zumindest nicht so mit. 

 

Black Diamonds waren mit ihrem griffigen Hardrock/Metal eher mein Ding. Leider blieb nicht viel Zeit zum Zuhören, da die Hauptbühne mit den Newcomer Inglorious ebenfalls eine unbekannte Band darauf wartete, entdeckt zu werden. Die Engländer Nathan James am Mikro, dem Gitarristen Wil Taylor, dem Bassisten Colin Parkinson und dem Schlagzeuger Phil Beaver haben die Band im Februar 2019 gegründet. Von diesen fünf sind allerdings nur noch Nathan und Phil dabei. Musikalisch überzeugten sie mit coolem Hardrock, schnörkellos gespielt und ohne viel drumherum. Ein berühmter Schweizer Bassist und Freizeit-Philosoph würde da wohl «Meh Dräck» fordern und dies wäre nicht mal unberechtigt. 

Ebenfalls guten, alten Hardrock spielten die Herren von FM. 1984 gegründet und ein Jahr später wieder aufgelöst, startete man 2007 einen Neuanfang. Die Engländer waren wie die meisten Bands dieses Jahr zum ersten Mal in Hinwil zu sehen und sorgten für ein sehr gutes Aufwärmprogram für Whitesnake und das grosse Highlight Def Leppard. 

 

Die Spielfreude von Whitesnake steckte das zuerst etwas misstrauische Publikum richtig an. Obwohl Mastermind David Coverdale mit Stimmproblemen zu kämpfen hatte, boten die Engländer eine tolle Show. Insbesondere Gitarrist Joel Hoekstra, der 2014 zur Band kam, liebt es für die Kameras zu posieren. 

 

Die Nacht brach über den Betzenholz Autobahnkreisel herein und die Bühne wurde für eines der grössten Konzertereignisse dieses Jahres bereit gemacht. 

Def Leppard haben eine lange Karriere hinter sich, bereits 1977 als Schülerband mit den Namen Atomic Mass in der englischen Stahlmetropole Sheffield machten Sänger Joe Elliot und Bassist Rick Savage zusammen Musik. 1978 kam Schlagzeuger Rick Allen und Anfang der 80er Leadgitarrist Phil Collen und Rhythmusgitarrist Vivian Campell dazu. 

Nach 2006 sind die Engländer endlich wieder in der Schweiz zu sehen und zu hören. Leider hatte der Tontechniker etwas Mühe mit der Abstimmung, so war es im vorderen Bereich massiv zu laut und die tiefen Töne waren übersteuert. Dafür war es im oberen Bereich des Geländes schon zu leise, jedoch verstand man den Gesang dort recht gut. Das Konzert lies keine Wünsche offen., eine sehr gut durchmischte Setlist aus altem Material wie «Rocked», oder «Animal» - beide vom legendären Album «Hysteria» (1987) - bis zm neuen, sehr groovigen «Man Enough» vom 2016 erschienen aktuellen Album «Def Leppard»

Optisch waren Def Leppard ebenfalls ein Highlight an diesem Festivaltag. Mit einer riesen LED-Wand im Hintergrund sorgten sie für passende Videoeinspieler und natürlich Live-Bilder. Dazu kam eine spektakuläre Lasershow. Kurz, es war eines der besten Konzerte seit Bestehen des Rock the Ring-Festival. Eigentlich konnte mich nur Alice Cooper 2015 noch mehr überzeugen. 

Mit den Zugaben «Rock of Ages» und «Photograph» ging ein erster Festivaltag zu Ende, der die Messlatte für die weiteren zwei Tage sehr hoch legte. Organisatorisch und musikalisch fiel es einem trotz den müden Beinen schwer, den Heimweg an zutreten.

Am zweiten Tag gab es für mich zwei Gründe nach Hinwil zu reisen. Grund eins war die Zürcher Alternativ Rockband Underskin auf der B-Stage und die New Wave of Britsch Heavy Metal-Legenden Saxon. 

Underskin machten dort weiter, wo Def Leppard ein paar Stunden vorher aufgehört haben, mit krachendem Rock, der jedes Musikherz höher schlagen lässt. Andrina und ihre Jungs nahmen die Stage in den kurzen 30 Minuten so richtig auseinander, im Wissen die ankommenden Fans gleich vor die Bühne zu holen. Kein leichtes Unterfangen, das das Quartett jedoch hervorragend meisterte. In meinen Augen gehörten Underskin auf die Hauptbühne. Dort richtete sich allerdings die Luzerner Metalband Maxxwell ein. Sicher, die Innerschweizer beweisen immer wieder, dass sie guten Sound machen und eine grosse Fanbase haben. Für mich sind Maxxwell aber auch etwas überbewertet und werden schnell langweilig. Deshalb hätte da die B- Stage sicher gereicht …

Underskin_Rock_The_Ring_©Stage

Das zweite Highlight war Saxon. Schon mit dem Opener «Weels of Steel» setzten die Briten ein Ausrufezeichen. Normalerweise ist dieser Klassiker vom gleichnamigen Album aus den 80er-Jahren eine Zugabe. Saxon befinden sich auf ihrer 40 Jahre Jubiläumstour und dementsprechend griffen sie in die Mottenkiste und packten ihre alten Songs aus dem musikalisch interessantesten Jahrzehnt aus. Gerade die Fans der New Wave of British Heavy Metal-Legenden fragten sich, warum die so früh und so kurz spielen und man Krokus und Gotthard als Co-Headliner holte. 

Klar war, Saxon begeistern auch nach 40 Jahren und scheinen mehr Spass denn je am Musikmachen zu haben. Biff Byford und seine Männer sind in dieser Spiellaune immer eine willkommene Band in der Schweiz.

Saxon_Rock_The_Ring_©Stagetim

Während des Change Over auf der grossen Bühne, zog es mich einmal mehr vor die B- Stage. Die Gelegenheit neue Bands zu hören, liess ich mir nicht entgehen. Und JD Miller aus Schweden waren es definitiv wert, ein Ohr voll mit zu nehmen. Krachende Gitarren, ein treibendes Schlagzeug und melodiöser Gesang zeichneten die 2011 gegründete Band aus Borås in Sweden aus. Das Quartett war zum ersten Mal in der Schweiz und konnten mit ihrem Power Sound einige Besucher/Innen vor die Bühne hohlen. Bleibt nur zu hoffen, das man Sänger Peter Halldén und seine Männer bald wieder in unserem Lande erleben darf. 

 

Derweil war auf der grossen Bühne alles bereit für die Schweizer Metallegenden von Krokus. Die Solothurner starteten mit ihrer Abschiedstour «Adios Amigos» vor kurzem und reisen mit ihren grössten Hits nun einmal quer durch die Welt. Bevor sie am 7. Dezember das letzte Schweizer Konzert spielen und dann 2020 eine Ehrenre und durch Südamerika machen. 

Krokus starten nicht wie gewohnt mit «Longstick goes Boom», sondern mit «Headhunter». Ein Song, zu dem ich eine ganz spezielle Beziehung habe. Mein Nachbar hatte eine riesen Plattensammlung aus dem Metal-Genre und er überspielte mir die Songs, welche mir besonders gefielen auf Musikkassetten. Dank dem «Headhunter»-Album von 1983 fand ich den Zugang zum Rock und Metal schon im zarten Alter von 8 Jahren. 

Zu hören gab es passend zur Abschiedstour all die grossen Hits der 80er von «Headstokes» über «Bedside Radio» und «Tokio Nights»i. Die Live-Qualitäten von Krokus sind nach wie vor unbestritten. Dennoch hatte man das Gefühl, dass sie Luft bei Marc Storace, Ferando Von Arb und Tausendsassa Chris Von Rohr langsam draussen ist. Die Präsenz der alt gewordenen Rocker ist nicht mehr so dynamisch und die Bewegungen sind langsamer. Der Zeitpunkt um Adios zusagen, ist nicht schlecht gewählt. 

 

Bei weitem nicht so lange unterwegs sind Gotthard. Eigentlich mag ich die Band auch ohne die Stimmgewalt von Steve Lee und Nick Maeder macht einen grossartigen Job. 

Das «Defrosted» Unplugged-Ding ist aber etwas ausgelutscht. Musiker auf Barhocker, die ihre Balladen noch einen Tick langsamer spielen und mit Streichinstrumenten untermalen, macht einfach nur einmal Spass. Dieser Meinung war nicht nur ich, sondern diverse andere auch, so dass der Shuttle Bus bereits gut gefüllt vom Betzenholz Autobahnkreisel zum Bahnhof Bubikon fuhr. Dazu kam, dass der Himmel mit den Rock The Ring-Fans den harten Rocksong von Gotthard nachweinte. 

Am dritten und leider schon letzten Tag lachte die Sonne wieder vom Himmel. Trotz früher Türöffnung traf man auf dem Gelände noch nicht die Massen von Besucher/Innen an. Die Stimmung war aber bereits sehr gut und man durfte sich auf ein paar weitere, seltene Gäste auf der Bühne freuen. 

Allen voran auf Midnight Oil, die mir bis dato unbekannt waren. Die Australier stellten mit wenig drumherum ihre Musik ganz in den Vordergrund und hatten so das Schweizer Publikum gut im Griff. Es war mehr ein Musikhören als eine Party feiern. Dies passte aber für beide Seiten, sodass man von einem gelungenen Konzert sprechen kann. 

Ein wenig enttäuscht war ich von King Zebra aus Zürich. Die Band brachten kürzlich ihre neue, nach sich selbst benannten EP mit neuen Frontman Eric St. Michaels (Ex-China) heraus. Irgendwie wirkte die Performance der Band für ihre Verhältnisse sehr zurückhaltend, ja fast gelähmt. Musikalisch ist ihr 80er-Jahre Glam Rock aber immer wieder ein Konzertbesuch wert. In diesem Zusammenhang kann ich das Swiss Glam Rock Fest am 1. November im Solothurner Kofmehl empfehlen. 

Aber genug der Schleichwerbung. 

Eine grosse Entdeckung aus der Blues Rock-Ecke war dafür der junge Jared James Nichols. Der Sänger und Gitarrist aus East Troy, Wisconsin, wahrscheinlich das Hinwil der USA, fühlte sich sofort zuhause und überzeugte mit seiner grossartigen Stimme und den kraftvollen Songs, die vermutlich über das Leben erzählen. Meine Englischkenntnisse sind bekanntlich nicht so gut, dass ich da weiteres darüber erzählen kann. 

Dank «Jennifer Crush» (Nastassja Spieß) von der deutschen Band Supernova Plasmajets stand nach Andrina Travers von Underskin die zweite Frau auf den beiden Festival Bühnen. Eine Frauenquote bei Festivals wird wohl der nächste Schritt sein. Supernova Plasmajets spielten ebenfalls auf der B-Stage und überzeugten mit dem Power Sound der 80er. Die Mannheimer zogen das vorbeilaufende Volk und die Menschen bei den Essständen schnell vor die Bühne. Das Stimmungsbarometer stieg sehr rasant, was die Band richtig anstachelte, eine noch bessere Show zu bieten. 

Allgemein ist die B-Stage eine grosse Bereicherung für das Festival. Junge Bands aus dem In- und Ausland kriegen eine Chance, sich einem grösseren Publikum zu präsentieren. Das Schöne: alle Bands, die ich dort sah, konnten mich überzeugen, weil sie mit Spass und Eifer bei der Sache waren. Was man sich für die Zukunft überlegen sollte, die Bühne näher an die Mainstage zu stellen, damit das Volk im unteren Bereich mitbekommt, dass dort auch Live-Musik zu hören ist. Oder man macht einen Live Stream auf die Boxen vor die Mainstage. Technisch sicher ein machbarer Aufwand. 

Leider war es danach schon Zeit für die zweitletzte Band des Festivals auf der Hauptbühne. 

Mit Lynyrd Skynyrd kam ein weiterer ganz grosser Name nach Hinwil. Ihr zum Teil schwer verdaulicher Südstaatenrock wurde aber vom Schweizer Publikum sehr euphorisch gefeiert. Kein Wunder, es wurde einmal mehr eine Nostalgischereise durch die Musikgeschichte. «Free Bird» und «Simple Man» durften genau so wenig auf der Setlist fehlen wie «Sweet Home Alabama».

Visuell begleitet wurde Lynyrd Skynyrd mit vielen Bilder von Alben und den ehemaligen Bandmitgliedern, die bei einem tragischen Flugzeugabsturz 1977 schwer verletzt wurden oder ums Leben kamen.

Die Amerikaner konnten mit glasklarem Sound und einer sehr publikumsnahen Performance überzeugen. Leider war das wohl der letzte Auftritt von Lynyrd Skynyrd in der Schweiz. Die Band hat sich eigentlich bereits Anfang 2019 aufgelöst. Hoffen wir mal, das dies wie so vieles in den USA nur Fake News sind. 

Lynyrd_Skynyrd_Rock_The_Ring_©

Keine Fake News ist, dass eine der besten Rock the Ring-Ausgaben dem Ende entgegen ging. Mit Live/Wire aus dem Baselbiet machte sich eine sehr authentische AC/DC-Coverband bereit. Sogar eine eigene Hells Bells-Glocke war im Bühnendach auszumachen. Es ist aber so eine Sache mit den Coverband, das dies meistens zu einer Art Fasnachts-Formation wird. Bei Live/Wire kam mir dies genau so vor, deshalb und wegen den müden Beinen – ich bin nicht mehr zwanzig Jahre jung – machte ich mich auf den Heimweg.

Live_Wire_Rock_The_Ring_©Stage

Zurück bleiben Erinnerungen an ein grossartiges Festival, das sich bemüht allen Zielgruppen gerecht zu werden und deshalb etwas kommerziell daher kommt. Das Rock The Ring-Festival hat dieses Jahr alles richtig gemacht. Bleibt zu hoffen, dass man auf diesem Weg bleibt. Man darf gespannt sein, wie die Organisatoren das Level im Line-up halten können oder ob sie sogar noch einen drauf legen.

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