19.Juli 2018
Basel Tattoo
Arena bei Kaserne Basel
(Generalprobe)
Seit 2006 findet auf dem Kasernen-Areal das Basel Tattoo statt. Military Tattoos gibt es auf der ganzen Welt. In der Stadt am Rheinknie findet man das zweitgrösste nach dem «Royal Edinburgh Military Tattoo» in Schottland, aber das grösste auf dem europäischen Festland.
Jahr fürJahr fliegen Blasmusik- und Pipes-Formationen aus aller Welt nach Basel, um bei diesem grossen Spektakel mit jeweils 1000 Mitwirkenden dabei zu sein.
Die Ausgabe 2018 stand im Zeichen von viel Dudelsack-Musik, gepaart mit Schweizer Einflüssen und Weltklasse-Formationen aus vier Kontinenten. Schon der Auftakt mit den den Massed Pipes and Drums mit 200 Mitwirkenden bestehend aus 102 Bn REME Pipes & Drums (Grossbritannien), African Skye Pipe Band (Südafrika), Delta Police Pipe Band (Kanada), Pipes & Drums of the Combined Universities’ Officers Training Corps (Grossbritannien), Jeppe High School for Boys Pipe Band (Südafrika), Marsa Scouts Pipe Band (Malta), Rats of Tobruk Memorial Pipes & Drums (Australien), Swiss Highlanders (Schweiz) und der Vancouver Police Pipe Band (Kanada), war einer von vielen Gänsehautmomenten an dieser Generalprobe. (deshalb die leeren Tribünen auf den folgenden Fotos).
Beeindruckend war die Koordination zwischen spielen und laufen. Natürlich durften die landesüblichen Uniformen und Farben nicht fehlen. Es war ein grossartiger Auftakt, der gleich Lust auf mehr machte.
Den wildesten und buntesten Auftritt hatten die Banda Monumental de Mexiko. Mit imposanten und farbenfrohen Kostümen rannten die Männer in die Arena. Durch ihre Körperbewegungen erzeugten sie mit dem Kopfschmuck ein rhythmisches Rasseln. Es war der Start in eine kleine mexikanische Fiesta mit Gesang und Tanz. Die Frauen trugen mexikanische Trachten, die beim Tanzen noch grösser und Eleganter wirkten
Den angenehmen mexikanischen Liedern und dem bunten Treiben in der Arena hätte man noch stundenlang zuschauen können. Doch es warteten noch andere Weltklasse-Formationen.
Einen keinen Sternmarsch in die Arena machten das aus Ulm angereiste Heeresmusikkorps der Deutschen Bundeswehr. Das professionelle Blasorchester unter der Leitung von Oberstleutnant Matthias Prock zeigte einen militärisch untypisch und erfrischenden Auftritt. In wechselnden Formationen marschierten die Deutschen nicht, es war mehr eine gut choreografierte Tanzeinlage, die den Musiker/Innen an den lachenden Gesichtern zu beurteilen, viel Spass gemacht haben dürfte. Besonders beim Stück «Auf der Schwäb’schen Eisenbahne» fuhr man musikalisch und gedanklich in Richtung der Stadt Ulm im Bundesland Baden Württemberg entgegen Die Donau, die durch Ulm fliesst, ist zugleich die Grenze zum Freistaat Bayern und der Stadt Neu-Ulm auf Bayrischer Seite.
Kilgore ist eine Stadt rund 120 Meilen ausserhalb von Dallas im US-Bundesstaat Texas und die Heimatstadt von den Kilgore College Rangerettes. Eine Cheerleader-Gruppe bestehend aus 41 jungen Frauen, die eine Show aus Tanz, Drill und Cheerleading zeigten, die vor allem mit einer schier unglaublichen Präzision und beeindruckender Beinarbeit überzeugte. Solche Performances sieht man normalerweise nur in grossen American Football Stadien. Ein weitere Gänsehaut-Moment an diesem Abend. Ihren zweiten Auftritt bestritten die Damen dann mit The United States Army Europe Band and Chorus. Ich gebe es ja zu, meine Augen waren bei den Cheerleadern und nicht bei den Musiker. Die gingen bei der Performance der Damen fast vergessen.
Nach dieser rasanten Showeinlage wurde es mit dem Scottish Act wieder richtig voll in der Arena und die Klänge traditionell schottisch, geprägt von Bagpipes und Trommeln. Es war der zweite Auftritt der Massed Pipes and Drums verbunden mit dem Heeresmusikkorps Ulm, The Swiss Army Central Band und weiteren Formationen. Optisch wirkte es wie eine Art Mini-Finale. So schnell wie die Formationen in der Arena waren, so schnell machten sie wieder Platz für eine Formation, auf die ich mich besonders freute, die Red Hot Chilli Pipers. Es handelt sich dabei nicht um die amerikanischen Funklegenden, sondern um eine Rockband aus dem schottischen Glasgow, die mit Dudelsack (Pipes) «Bagrock» spielen. Am Basel Tattoo kam der Schlagzeuger nur mit einer kleinen Trommel. Die Aufmerksamkeit galt den Pipes-Spielern Kevin Macdonald, Kyle Warren und Gordon McCance sowie dem Gitarristen Stevie Lawrence.
Neben eigenen Kompositionen spielen sie vor allem Coversong von AC/DC, Deep Purple oder Queen. Bei ihrem zweiten Auftritt begleiteten sie die Canadiana Celtic Highland Dancers.
Die kanadische Tanzformation besteht aus 50 jungen Frauen, die in ganz Kanada zuhause sind. Selbst die beiden künstlerischen Leiterinnen Stephanie Grant und Stephanie Turnbull wohnen 5’000 Km von einander entfernt.
Die Tänzerinnen lernten die Tanzschritte unabhängig voneinander und ohne Musik sechs Wochen im Voraus. Den musikalische Teil hörten sie das erste Mal bei ihrem Zusammentreffen in Basel und somit beim ersten gemeinsamen Training. Geplant war eine melancholisch, romantische Choreographie. Doch als die beiden Stephanies hörten, dass die Red Hot Chilli Pipes dabei sein werden, wurde der Plan über den Haufen geworfen und es wurde eine rockige Performance einstudiert. Das Experiment mit traditionellem Highland Dance mit viel Beinarbeit und wenig Armbewegungen mit den rauen Bluesklängen von «Hellbound Train» von Savoy Brown, darf durchaus als gelungen bezeichnet werden.
Für eine weitere erfrischende Überraschung sorgen «The Military Brass Band 194 Pontoon Bridge Regiment» aus der Ukraine. Mit 17 Jahren Bestehen, ist diese Brass Band Formation noch nicht mal richtig volljährig, mischt aber die traditionelle Militärmusik-Szene in Russland und der Ukraine schon ganz schön auf. Bereits zweimal traten sie am «European Song Contest» auf und bestätigten ihre grosse musikalische Vielfalt von zeitgenössisch bis klassisch. 2004 begleiteten sie die damalige Siegerin beim ESC Ruslana unter anderem mit zwei Trembitas, einer typischen 2 Meter langen ukrainische Holztrompete.
In Basel war dieses Instrument ebenfalls im Einsatz, kam jedoch akustisch schlecht zur Geltung.
Ein vergleich mit dem einheimischen Alphorn wäre da sicher ein weiteres interessantes Musikalisches Experiment gewesen.
Sehr unterhaltsam war die kleine Boxkampf-Einlage zu den Klängen von Survivors «Eye of the Tiger» vom «Rocky 4»-Soundtrack. Die Ukrainer sorgten zwar nicht für den dritten Gänsehaut-Moment dafür für beste musikalische Unterhaltung mit einer tollen Choreographie.
Das Basel Tattoo darf seit vielen Jahren und sicher bis 2022 auf das VBS als Schirmherr und somit auf die Unterstützung der Schweizer Armee beim Auf-/ Abbau und den Transport der Infrastruktur zählen. Im Gegenzug darf sich das Publikum Jahr für Jahr auf eine Herausragende Formation der Armee freuen. 2017 begeisterte die «Militärmusik RS 16-1 / 2017». Dieses Jahr durfte man sich auf die in Rot gekleidete «The Swiss Army Central Band» unter der Leitung von Major Aldo Werlen freuen. Die Nationalmannschaft der Armee Formationen überzeugte mit einer guten Choreographie und einem abwechslungsreichen musikalischen Programm, beispielsweise mit der Musik aus dem Kultfilm «Kill Bill». Als Solistin war mit dem Alphorn Lisa Stoll dabei. Die leisen Klänge gingen aber wie schon bei den ukrainischen Holztrompetern unter. Stoll die gleiche Bekanntheit zu attestieren wie Helene Fischer oder Andreas Gabalier war vom Speaker doch etwas zu hoch gegriffen. Bis an diesem Abend habe ich noch nie etwas von Helene ääähh Lisa Stoll gehört.
Durch viele Vorschusslorbeeren war ich besonders gespannt auf den Auftritt der Lokalmatadoren der Top Secret Drum Corps. Trommeln finde ich seit Kindesbeinen toll. Da versteht es sich von selbst, das diese Formation ein persönlicher und emotionaler Höhepunkt ist.
Was mit sieben jungen Tambouren begann, die sich von der Basler Fastnacht kannten, zählt heute zu den Weltklasse-Acts bei den Tambouren-Formationen und wird auf der ganzen Welt gefeiert. Zurecht wie man an diesem Abend in Basel klar feststellen konnte. Präzision, Teamwork und eine Prise Humor zogen sich wie der berühmte rote Faden durch ihren Auftritt. Jedes Detail stimmte, selbst wenn ein Drum Stick auf den Boden fiel, kam der Spieler nicht aus dem Konzept, er nahm einen Ersatz-Stick aus der Tasche, die an der Trommel befestigt war, und spielte weiter.
Mit einem feurigen Finale ging ihr Auftritt zu Ende.
Danach kam leider schon das Finale bei dem alle über 1’000 Mitwirkenden in die Arena liefen. Ein tolles Schlussbild, das mit dem Schweizer Psalm und unter anderem Frank Sinatras «My Way» musikalisch untermalt wurde. Leider waren die Stimmen bei diesem Klassiker nicht auf der Höhe und einem solchen Lied nicht würdig. Für einmal war es mehr ein Hühnerhaut- als Gänsehaut-Moment. Schade.
Das Basel Tattoo, Ausgabe 2018, ist eine grossartige Show der Superlative. Musikalisch sehr abwechslungsreich, choreographisch – die Cheerleader bleiben das Highlight – schlicht sensationell und der Beweis, dass Basel mehr als nur Chemie, Fasnacht und Fussball zu bieten hat, sondern ein jährlich stattfindendes kulturelles Highlight mit Weltformat besitzt.
Das Basel Tattoo ist noch bis Samstag 28. Juli in Basel zu sehen.